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Frauenquoten - oder wie man die gläserne Decke durchbricht

"Ich bezeichne mich als Quotenfrau, weil ich aus persönlicher Erfahrung weiß, dass die Veränderung zum besseren nicht von selbst kommt." sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Dr. Ursula von der Leyen, im Rahmen einer vom Magazin Stern veröffentlichten Kampagne.

Das Prinzip der fairen Geschlechterverteilung scheint die Unterstützung der meisten Wirtschaftsführer zu haben. Seine Umsetzung ist jedoch nach wie vor umstritten. Die Einführung von Quoten, ein Mechanismus, der sowohl in Frankreich als auch in Deutschland eingesetzt wird und seine Wirksamkeit bereits unter Beweis gestellt hat, bleibt regelmäßig umstritten. 

Auch wenn auf dem Weg zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern Fortschritte zu verzeichnen sind, darf man sich nicht täuschen lassen: Der Zugang von Frauen zu Führungspositionen ist nach wie vor sehr eingeschränkt. Einige Daten sprechen für sich: Nur 12,8 % der im DAX 30 gelisteten Unternehmen haben Frauen in Führungspositionen, während es im CAC 40 21 % sind; ebenso steht nur eine Frau an der Spitze eines Unternehmens am Pariser Finanzplatz, Catherine MacGregor, Generaldirektorin von ENGIE, und nur eine Frau leitet ein Unternehmen im DAX 30, Martina Merz, Generaldirektorin von ThyssenKrupp.

Quoten: eine Technik, die ihre Wirksamkeit bewiesen hat

In Frankreich breitete sich die Bewegung erst nach zwei Verfassungsreformen (1999 und 2008) und mehr als zehn Jahre nach der Verabschiedung der ersten paritätischen Gesetze, die auf die politische Welt abzielten, auf die wirtschaftliche Welt aus.

Am 27. Januar letzten Jahres jährte sich zum zehnten Mal das Copé-Zimmerman-Gesetz, das erste Gesetz zur ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in Vorständen und Aufsichtsräten. Ein bedauerlicher Jahrestag, da ein solches Gesetz die Ungleichheiten offenbart, die in unserer Gesellschaft fortbestehen, aber genauso auch ein glücklicher, da Verbesserungen gefeiert werden konnten.

Die Feststellung ist eindeutig: Sie hat Früchte getragen, denn der Anteil von Frauen in den Kollegialorganen von Aktiengesellschaften ist von 12% im Jahr 2010 auf über 44% im Jahr 2021 gestiegen. Doch wie lässt sich ein solcher Erfolg erklären? Wie konnte ein Gesetz in weniger als zehn Jahren einen Trend ausgleichen, der für manche ein Zeichen dafür ist, dass Frauen nicht in der Lage sind, in Entscheidungspositionen aufzusteigen? Auch wenn andere Faktoren die Entwicklung begünstigt haben könnten, muss ein Element besonders hervorgehoben werden: Das Gesetz war pragmatisch und enthielt Quoten, die nach und nach erreicht werden sollten. 

In Deutschland verlief die Entwicklung ein paar Jahre später mehr oder weniger nach dem gleichen Muster. Am 1.er Mai 2015 ist das Führungspositionen Gesetz (FüPoG I) in Kraft getreten, das je nach Unternehmenskategorie unterschiedliche Regelungen für die Privatwirtschaft enthält.

Für börsennotierte Unternehmen und Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung, zu denen in der Praxis nur etwa 100 Unternehmen gehören, wurde eine Geschlechterquote von 30 % in den Aufsichtsräten vorgeschrieben, die für Neubesetzungen ab dem 1.er Januar 2016 gilt. Die von dieser Bestimmung erwarteten Ergebnisse wurden weitgehend erreicht, da in diesen Gremien nun durchschnittlich 35 % Frauen vertreten sind. Es wurde auch festgestellt, dass diese Unternehmen zunehmend eine gerechte Verteilung der Geschlechter fördern.

Börsennotierte Unternehmen oder Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung haben einen gewissen Spielraum bei der Festlegung der Ziele und der Fristen, innerhalb derer sie erreicht werden müssen. Der Text bezog sich ausdrücklich nicht nur auf die Aufsichtsräte, sondern auch auf die oberen Führungspositionen (Vorstände). Für die letztgenannte Kategorie setzten sich 70 % dieser Unternehmen ein Ziel von 0 %. Zielgröße Null. Die Ergebnisse waren, wenig überraschend, katastrophal. Im Durchschnitt wurden 8 % Frauen in die Führungsebene aufgenommen. Durch ihre Weigerung, sich an dem Spiel zu beteiligen, haben diese Unternehmen die bereits feststehende Schlussfolgerung nur noch verstärkt: Nur verbindliche Maßnahmen sind wirksam.

Quoten: Ein Mittel der Erneuerung

Weit davon entfernt, zufrieden zu sein, wollen unsere französischen und deutschen Regierungen und Vertreter unsere Gesetzgebung verschärfen und machen sich gleichzeitig auf den Weg, die fairen Geschlechterverteilung zu erreichen. In beiden Ländern sind es nun die Führungspositionen in börsennotierten Unternehmen, die angestrebt werden.

Unsere deutschen Nachbarn haben nach Verhandlungen und Kompromissen innerhalb der GroKo einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der die erste Lesung passiert hat. Das Gesetz liegt nun dem Bundesrat zur Begutachtung vor. Es sieht vor, dass Unternehmen, die bereits eine Quote haben, mindestens eine Frau in ihren Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern haben müssen. Unternehmen, die nicht der gesetzlichen Quote unterliegen, müssen das Nullziel begründen oder mit Sanktionen rechnen, wenn sie es nicht erfüllen.  

Anlässlich des Internationalen Frauentags gaben die französischen Mehrheitsabgeordneten diesem Thema einen neuen Impuls, indem sie einen Gesetzentwurf in die Nationalversammlung einbrachten. Der Gesetzentwurf sieht die Einführung von Quoten für die obersten 10 % der Positionen vor.

In Frankreich, wie auch in Deutschland, stoßen diese Bestrebungen auf den Widerstand der Arbeitgeber. Der Präsident des MEDEF (französischer Arbeitgeberverband) sagt, dass Frauen bei der Rekrutierung von Führungskräften noch nicht ausreichend vertreten sind. Wenn diese Kritik gehört werden kann und sogar muss, sollte sie kein Argument gegen die Einführung von Quoten darstellen, sondern vielmehr dazu dienen, die Bedeutung der Einführung eines schrittweisen Mechanismus zu unterstreichen. Dies ist ein Punkt, auf den Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank, bei ihrer Anhörung durch die Delegation für Frauenrechte der Nationalversammlung besonders hinwies.

Die Tatsache, dass diese Position von einer der aktivsten Organisationen bei der Entwicklung von Corporate-Governance-Regeln eingenommen wird, ist zudem ein Beweis dafür, dass wir uns nicht auf die Selbstdisziplin der börsennotierten Unternehmen in diesem Bereich verlassen sollten. Umso wichtiger ist das Eingreifen des Gesetzgebers, der als einziger befugt ist, ein wirklich verbindliches System einzurichten und mit Sanktionen zu begleiten.

Quoten sind eine vorübergehende Lösung für ein aktuelles Problem, an dessen Beseitigung wir in naher Zukunft arbeiten müssen. Es ist eine Lösung, die dringend umgesetzt werden muss, damit sich keine Frau als Quotenfrau durchsetzen muss. Ich hoffe zumindest keine Quotenfrau sein zu müssen.

Deutsche Übersetzung: Tobias Hoffmann

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