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Eisige Stimmung – Die Schwierigkeiten deutsch-französischer Zusammenarbeit in Fragen der Energiepolitik

Das Jahr 2022 war für die deutsch-französischen Beziehungen in vielerlei Hinsicht kein gutes. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Anlass für eine Vielzahl an Streitigkeiten zwischen Berlin und Paris gegeben, deren Auswirkungen nach der Absage des deutsch-französischen Ministerrates auch nicht weiter kaschiert werden können – Siehe hierzu das Interview der DenkFabrik mit Pascal Thibault.

Dass die Bewältigung der durch den Ukrainekrieg und den Ausfall russischer Energielieferungen verursachten Energiekrise das zentrale Anliegen nationaler und europäischer Politik geworden ist, macht den Ausgleich deutscher und französischer Interessen nicht leichter. Schließlich ist es insbesondere der Bereich der Energiepolitik, in dem sich Deutschland und Frankreich im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte immer weiter voneinander entfernt haben. Das latente Konfliktpotenzial, das dadurch entstanden ist, tritt nun zu einer Zeit an die Oberfläche, in der dem Energiesektor aus Gründen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit ohnehin ein großer Wandel bevorsteht. 

Vergangene Entscheidungen mit langfristigen Folgen

Der deutsch-französische Streit in der Energiepolitik kommt nicht überraschend und hat sich in den letzten Jahren immer stärker abgezeichnet. Die Anfänge dieser energiepolitischen Divergenz liegen jedoch noch weiter zurück. Auf die Ölpreiskrise in den 1970er Jahren reagierten Deutschland und Frankreich mit einem massiven Ausbau ihres nuklearen Kraftwerkparks. In Deutschland jedoch, wo zur selben Zeit die Anti-Atomkraftbewegung an Fahrt aufnahm, wurden diese Pläne sehr bald reduziert. Während Frankreichs Energiemix zunehmend durch die Atomkraft dominiert wurde, setzte man in Deutschland weiterhin auf Kohlekraftwerke sowie auf Erdgas, das von der Sowjetunion seit Beginn der 1970er Jahre nach Mitteleuropa geliefert wurde.

Die Bedeutung der Erdgasimporte für Deutschland nahm nach 1990 weiter zu. Sie verstärkte sich insbesondere nach dem Beschluss der Rot-Grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, aus der Atomenergie auszusteigen. Der deutsche Atomausstieg, der durch einen rasanten Ausbau der erneuerbaren Energiequellen ermöglicht werden sollte, stand somit im starken Kontrast zur französischen Energiepolitik. Auch hier plante man den Ausbau erneuerbarer Energien, die Hauptlast sollte jedoch weiterhin die Atomkraft stemmen. 

Das Atomunglück von Fukushima 2011 bewirkte in Deutschland den endgültigen Beschluss für den Atomausstieg, führte in der Praxis jedoch dazu, dass der Anteil fossiler Energieträger, hauptsächlich von Braunkohle und Erdgas, weiter anstiegen. Die deutsche „Energiewende“, die unter anderem auf der Ablehnung der Atomkraft gründete, hat sich somit zum absoluten Gegenteil der französischen Energiepolitik entwickelt. Die jeweilige Energiepolitik des Nachbarn führte daher sowohl in Berlin als auch in Paris zu Unverständnis. 

Der Streit um die richtige Lösung auf europäischer Ebene

Die Frage, welches Land die bessere Energiepolitik verfolgt, hat sich zuletzt rechts und links des Rheins zu einem regelrechten Wettbewerb entwickelt, den man als eine Art Energienationalismus bezeichnen könnte. Dieser erreichte im letzten Jahr die Ebene der Europäischen Union, als es um die Frage der Förderung nachhaltiger Investitionen ging. Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine solche Taxonomie sollte sowohl die Kernenergie als auch Erdgas als nachhaltige Energiequelle klassifizieren, was in Paris und Berlin Protest aus umgekehrten Gründen hervorrief. Letztendlich konnte Deutschland, das auch international für ein Ende der Atomkraft geworben hatte, die Aufnahme der Kernenergie in der Taxonomie nicht verhindern. Dass auch das für Deutschland wichtige Gas darin Platz fand, kann als Kompromiss gewertet werden, Sieger in dieser Debatte war jedoch das Pro-Atomkraft-Lager um Frankreich.  

Der aktuelle Ausfall russischer Energielieferungen nach Europa hat viele europäische Länder, deren Abhängigkeit vom russischen Erdgas hoch war, stark getroffen und kurzfristig zu einem sehr starken Anstieg der Gas- und Strompreise geführt. Aber auch während dieser Krise übernehmen Deutschland und Frankreich konträre Positionen. Frankreich befürwortet einen europäischen Gaspreisdeckel, während Deutschland aus Angst vor Lieferstopps eine solche Lösung ablehnt. Die Energiepreisbremse, mithilfe derer die Bundesregierung die hohen Kosten für deutsche Verbraucher senken will, hat wiederum in Brüssel und Paris für Protest gesorgt. Frankreich hat derweil das Midcat-Pipelineprojekt begraben, das das deutsche Gasnetz mit spanischen Flüssigerdgasterminals am Mittelmeer verbinden sollte. 

Die jüngsten Entwicklungen bieten somit einen eher wenig optimistischen Ausblick für die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Energiepolitik. Insbesondere in der aktuellen Krise sollten Deutschland und Frankreich jedoch nicht gegeneinander arbeiten. Auch aufgrund der langfristigen Auswirkungen energiepolitischer Entscheidungen, sollten Berlin und Paris versuchen, gemeinsame energiepolitische Ziele zu definieren, um eine langfristige Kompatibilität und Integration zu einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik zu gewährleisten.  

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