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Deutschland und Frankreich im indopazifischen Raum: Ein komplexer Balanceakt zwischen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen

Das Konzept des Indopazifiks spielt in der heutigen strategischen Debatte eine immer größere Rolle, sei es in den Strategien von Staaten wie den USA, Australien oder Frankreich, oder in akademischen Kreisen und Think Tanks. Obwohl es keine einvernehmliche Definition gibt, stellen Heiduk und Wacker[1] einen gemeinsamen geographischen und strategischen Nenner fest: Der Pazifische und der Indische Ozean werden als eine einzige zusammenhängende Zone mit mehreren Handelsrouten betrachtet, durch die der Großteil der weltweiten Waren- und Energieströme fließt. Der Indopazifik ist vor allem die Zone, in der sich die chinesisch-amerikanische Rivalität in erster Linie ausdrückt, die seit der Obama-Ära zur wichtigsten strategischen Priorität der USA geworden ist. Das Konzept des Indopazifiks wurde übrigens von Staaten geprägt, die den wachsenden Einfluss Chinas begrenzen wollten: die USA, Australien und Japan.

Auf europäischer Seite war Frankreich, das über Gebiete in der Region verfügt, der erste Staat, der dort eine Strategie entwickelt hat. Eine erste Strategie wurde 2016 auf der Grundlage des Asien-Pazifik-Konzepts vorgestellt, eine zweite folgte 2019 auf der Grundlage des neuen Indopazifik-Konzepts. Im darauffolgenden Jahr entwickelten Deutschland und die Niederlande ihre eigene Strategie, und die Europäische Union verabschiedete ihre eigene Strategie 2021 auf Anregung dieser drei Mitgliedsstaaten[2].

Unterschiedliche Ansätze

Obwohl sowohl Frankreich als auch Deutschland die Bedeutung der Zone anerkennen, ist ein unterschiedlicher Ansatz festzustellen. Frankreich betrachtet die Region in erster Linie unter einem Sicherheitsaspekt[3]und strebt die Wahrung seiner Souveränität über seine lokalen Gebiete an. Es hat an mehreren Militärübungen in der Region mit lokalen Mächten, insbesondere Indien, teilgenommen und 2019 seinen Flugzeugträger Charles de Gaulle mit Unterstützung einiger europäischer Länder, darunter Italien, Österreich, Portugal und Dänemark, zu einer Mission in die Region entsandt. Darüber hinaus ist Frankreich Mitglied mehrerer regionaler Organisationen, die sich für eine multilaterale Ordnung einsetzen, und hat eine enge strategische Beziehung zu Indien, seinem wichtigsten Partner in der Region, aufgebaut .[4]Frankreich vernachlässigt jedoch nicht den wirtschaftlichen Bereich, da es wichtige Handelsinteressen in der Region hat. China ist einer seinen wichtigsten Handelspartner, steht jedoch in einem Wettbewerb, den Frankreich als unfair empfindet. Schließlich hält sie die Mitwirkung der lokalen Akteure für grundlegend für die Lösung des Klimawandels. Daher verfolgt Frankreich in der Region einen umfassenden Ansatz, um alle seine Interessen zu schützen.

Deutschland hat die Bedeutung der Region ebenfalls erkannt und erkennt die Existenz eines geopolitischen Spiels an.. Berlin betrachtet die Region jedoch in erster Linie und fast ausschließlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Immerhin 20 % des deutschen Handels stammt aus der Region, vor allem mit China, Deutschlands wichtigsten Handelspartner, der aber auch Deutschland einen unfairen Wettbewerb liefert. Wie Frankreich strebt auch Deutschland eine multilaterale, regelbasierte Ordnung an, die einen ausgewogenen Handel und die Zusammenarbeit im Kampf gegen die globale Erwärmung fördert. Da die deutsche Wirtschaft wesentlich mehr als die französische vom Export abhängig ist, strebt sie es dauerhafte Niederlassung in China an. Außerdem verfügt Deutschland nicht über Territorien in der Region und ist mit dem Einsatz seiner Streitkräfte zurückhaltender als Frankreich.

Deutschlands und Frankreichs Rolle in den regionalen Machtverhältnissen

So bestehen zwischen den beiden Ländern nicht unerhebliche Differenzen. Deutschland möchte in der chinesisch-amerikanischen Rivalität keine Partei ergreifen und strebt lediglich eine Neuausrichtung der Handelsbeziehungen mit China an, um wieder zum business as usual zurückkehren zu können.[5]Zwar hat es, wie Frankreich, die EU dazu gedrängt, eine Strategie für die Region zu entwickeln, doch erwartet es von der EU, dass sie als neutraler Ausgleich fungiert.. Frankreich, das ebenfalls nicht der amerikanischen Logik des Containmentfolgt, versucht dennoch, auf die chinesische Expansion zu reagieren, und schlägt vor, die europäische Militärpräsenz in der Region zu verstärken und Gegenmaßnahmen gegen den unfairen Wettbewerb Chinas einzuführen. Auch die Wahl der lokalen Verbündeten führt zu Meinungsverschiedenheiten .[6]Während Frankreich Indien priorisieren möchte, zieht es Deutschland vor, in erster Linie mit der ASEAN zu verhandeln.

Diese Divergenzen sind das Ergebnis unterschiedlicher strategischer Konzepte zwischen Frankreich und Deutschland. Deutschland ist in erster Linie auf die Förderung seiner Exportindustrie ausgerichtet und hat seine Sicherheit bisher den USA und der NATO anvertraut, wobei es sich scheut, sein militärisches Instrumentarium einzusetzen, während Frankreich über ein globales strategisches Denken verfügt und der Ansicht ist, dass die Wahrung seiner Souveränität und seiner wirtschaftlichen Interessen eine eigenständige und umfassende strategische Aktion erfordert.


[1] Heiduk, F., Wacker, G. (2020). From Asia-Pacific to Indo-Pacific – Significance, implementation and challenges. Stiftung Wissenschaft und Politik.

[2] Prabhu, S. (2021). Examining the EU’s Indo-Pacific Strategy. GP-ORF Series, 49-54.

[3] Heiduk, F., Wacker, G. (2020). Op cit.

[4] Jaffrelot, C., Zérinni, J. (2021). The Europe-India Balance Sheet: Trade, Like-Mindedness and Strategic Interests. Institut Montaigne.

[5] Ibid.

[6] Ibid.

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