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Gedenkfeiern in Frankreich: Von nationalen Feiern zu einem echten deutsch-französischen und europäischen Fest

Im Zusammenhang mit der Wiederbelebung des europäischen Projekts und der deutsch-französischen Beziehungen werfen die Feierlichkeiten vom 11. November und 8. Mai entscheidende Fragen auf. Das Thema dieser Gedenkfeiern muss nun unbedingt neu definiert werden. Die Gedenkfeiern zum 11. November müssen ihre pazifistische Dimension bewahren und weiter stärken. Die vom 8. Mai müssten durch eine Feier der Rede Robert Schumans ersetzt werden.

"Die Feierlichkeiten zum 11. November müssen einen friedlichen und europäischen Geist bewahren und weiterentwickeln."

Während am 11. November 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde, erinnert der 8. Mai 1945 an den Tag, an dem Deutschland seine militärische Niederlage eingestanden hat. Der 11. November feiert also den Sieg und den Frieden, während der 8. Mai, der in Frankreich zum gesetzlichen Feiertag wurde, die militärische Kapitulation Deutschlands feiert. Das Gedenken an den 8. Mai steht daher im Widerspruch zu diesem neuen Geist der Assoziation, der durch die Unterzeichnung des Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration 2019 in Aachen inspiriert wurde. Dieser Geist wurde sogar durch die Initiative von Emmanuel Macron und Angela Merkel für einen europäischen Aufschwung angesichts der Coronavirus-Krise gestärkt. 

Die Feierlichkeiten zum 11. November müssen einen friedlichen und europäischen Geist bewahren und weiterentwickeln. Die „Conseil Municipal des Jeunes“ (CMJ) spielen bei dieser Erinnerungsarbeit eine wichtige Rolle. Dies beschränkt sich nicht auf Kranzniederlegungen oder das Lesen von im Voraus vorbereiteten Reden. Den CMJs sollte eine Ausbildung angeboten werden, um sie für die Geschichte der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland zu sensibilisieren. Dieses Bewusstsein macht am 11. November bei jungen Menschen Sinn, vor allem in den Kommunen Südfrankreichs, die wenig mit Deutschland zu tun haben. Französische Gemeinden, die Partnerschaften mit deutschen Städten eingegangen sind, könnten die Einrichtung einer deutsch-französischen Gedenkveranstaltung in Zusammenarbeit mit der Partnergemeinde in Erwägung ziehen. Diese binationale Feier am 11. November könnte von einem Tag des Austauschs zwischen jungen Menschen aus Partnerstädten zum Thema Erster Weltkrieg begleitet werden. 

Bi-nationale Zeremonien sind alles andere als eine neue Initiative. Am 7. Mai 1770 hatte Marie Antoinette ihren Einzug in Straßburg gehalten. Bei diesem offiziellen Akt der Übergabe wurde die 14-Jährige zur Dauphine von Frankreich. Dieses Ritual der Brautübergabe fand zwischen den Städten Kehl und Straßburg, einem neutralen Ort, statt. Dieser entscheidende Übergang im Leben der jungen Frau wurde durch ein Holzgebäude symbolisiert, dessen zwei Eingänge so angeordnet waren, dass Marie Antoinette auf der österreichischen Seite eintrat und auf der französischen Seite wieder austrat, wodurch dieser Übergang von Österreich nach Frankreich verkörpert wurde. Obwohl die Dauphine eine Österreicherin war, beweist ihre Übergabe an das Königreich Frankreich, dass bi-nationale Zeremonien wesentliche Rollen in der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und in den Köpfen der Bürger erfüllen.

"In diesem Zusammenhang könnten multinationale Gedenkfeiern in Gemeinden gefördert werden, die Partnerschaften mit europäischen Städten eingegangen sind."

Es ist nicht mehr notwendig, jedes Jahr am 8. Mai in Frankreich eines militärischen Sieges zu gedenken. Der Verzicht auf die Gedenkfeiern zum 8. Mai und ihre Ersetzung durch eine Feier zum Gedenken an Robert Schumans Rede könnte ein Weg sein, über den in den nächsten Jahren nachgedacht werden sollte.

In Frankreich war es nicht immer selbstverständlich, dass der 8. Mai 1945 gefeiert wurde. Bereits 1959 wurde der 8. Mai als Feiertag abgeschafft, obwohl die französischen Gedenkfeiern beibehalten wurden. 1975 beschloss der damalige Präsident der Französischen Republik, Valéry Giscard d'Estaing, die offiziellen Gedenkfeiern zum Sieg über Nazi-Deutschland durch einen "Europatag" zu ersetzen, um die deutsch-französische Aussöhnung zu würdigen. Dieser "Europatag" fand zwischen 1974 und 1981 an jedem 9. Mai in Erinnerung an Robert Schumanns Rede über den Aufbau der Europäischen Union statt. Seit 1981 ist der 8. Mai in Frankreich wieder ein gesetzlicher Feiertag in Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs. 

Im Jahr 2020 wäre es sinnvoller, zu einem "Europatag" zurückzukehren und die Rede Robert Schumanns zu feiern. In diesem Rahmen könnten multi-nationale Gedenkfeiern in Gemeinden, die mit europäischen Städten verschwistert sind, gefördert werden. Dieses Projekt könnte im Rahmen des deutsch-französischen "Zukunftsforums", eines der 15 vorrangigen Projekte zur Umsetzung des Aachener Vertrags, diskutiert werden. Dieses "Zukunftsforum" bietet sich als Plattform für den Dialog über gesellschaftliche Transformationsprozesse an. 

Die durch die Gedenkfeiern vom 11. November und 8. Mai aufgeworfenen Fragen müssen Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte sein. Diese Feiern zielen darauf ab, die Europäer und insbesondere die Franzosen und Deutschen um ihre gemeinsame Geschichte herum zu vereinen, weshalb es notwendig ist, ihren Inhalt zu überdenken.

Deutsche Übersetzung: Tobias Hoffmann

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