Von Annabelle Livet, Julia Hlavacova und Patrick Stephan
Mit Atomkraft raus aus der Energiekrise - angesichts des Krieges in der Ukraine und der Energieknappheit wieder eine kontrovers geführte Debatte. Während diese Idee nach der Abschaltung der letzten AKW's in Deutschland dort als Widerspruch erscheint, werden in Frankreich weiterhin AKW's betrieben und in Finnland sogar neue in Betrieb genommen. Die europäischen Länder haben im Rahmen der EU also keine einheitliche Strategie; nur warum ist die Handhabung der Lösung der Energiekrise in Deutschland und Frankreich so unterschiedlich? Und ist es möglich, bei solch signifikanten Unterschieden eine gemeinsame Energiepolitik zu finden?
Mit unserem neuen Projekt DenkÉnergie, wollen wir den aktuellen Fragen rund um die Energiepolitik, insbesondere im deutsch-französischen Kontext, nachgehen: durch regelmäßige Beiträge, Diskussionen mit Expert:innen und viele andere spannende Formate!
AKW - Status quo in Deutschland
Vor 62 Jahren wurde in Deutschland das erste Atomkraftwerk im unterfränkischen Kahl in Betrieb genommen. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 setzte die damalige Bundeskanzlerin A. Merkel den endgültigen Ausstieg aus der Technologie in Deutschland durch. Dieser Beschluss bot 2013 auch die Grundlage für einen parteiübergreifenden Konsens, bezüglich der Suche nach einem Endlager, wo hochradioaktiver Atommüll möglichst für eine Million Jahre sicher gelagert werden kann. Zugrunde lag der Suche nach dem Endlager das Prinzip einer „weißen Landkarte“.
Ursprünglich galt es bis 2031 einen Standort zu finden und bis 2050 ein Endlager zu errichten. Inzwischen ist dieser Zeitplan obsolet geworden und ein neuer Ort ist bisher noch nicht bekannt geworden. Entsprechend dem gefassten Beschluss aus dem Jahr 2013 hätten die letzten Kraftwerke Ende vergangenen Jahres vom Stromnetz gehen sollen. Aufgrund eines Kriegs zwischen Russland und der Ukraine entschied sich die aktuelle Regierung unter Kanzler O. Scholz, im Herbst 2022 dafür, dass die drei Atomkraftwerke über den Winter bis Mitte April 2023 weiterlaufen sollten. Diese drei letzten Atomkraftwerke wurden nun in den letzten Tagen vom Netz genommen und werden entsprechend der bestehenden Pläne in den nächsten Jahren sukzessive zurückgebaut.
AKW - Weiteraufbau in Frankreich
Für Frankreich entspricht die Atomenergie mit der Suche nach Energieunabhängigkeit, die dann eine Energieversorgungssicherheit gewährleisten soll, sowie ermöglicht, Frankreich Stromexporteur für die Nachbarländer (außer im Jahr 2022) zu werden. Da die Kernenergie eine CO2-arme und steuerbare Energiequelle ist, gilt sie in Frankreich als eine der Schlüssel-Lösungen zusammen mit den erneuerbaren Energien, um die genüge Stromerzeugungskapazität zu erhöhen, damit die steigende Stromnachfrage (auch indirekt Wasserstoff-Nachfrage) in Europa gedeckt werden kann. Aus diesem Grund hat Präsident Macron ein Programm zum Bau von 6 Kernreaktoren aufgelegt, um die Energiesicherheit zu erhöhen und die alternden AKW nach und nach zu ersetzen.
In dieser Hinsicht hat Frankreich historisch eine Nuklearindustrie aufgebaut und verfügt eine Beherrschung des Brennstoffkreislaufs – einschließlich der Entsorgung und Wiederverwertung von Atommüll –, die weltweit zu den fortschrittlichsten und umfassendsten gehört. Aktuell verwenden 40% der frz. Kernreaktoren wiederaufbereitete Brennelemente (MOX). Es gibt mehrere oberirdische Lagerstätten für radioaktive Abfälle sowie ein Tiefenendlagerprojekt, das seit den 1990er Jahre untersucht wird. Neben ihrem Beitrag zur Energieversorgung hat die Nutzung von AKW für Frankreich eine große wirtschaftliche Bedeutung, vor allem in Bezug auf die Beschäftigungsquote, denn Nuklearbranche zusammenbringt 8000 neuen Arbeitsplätzen pro Jahr seit 2010 und ist also die drittgrößte Industriesektor Frankreichs.